Der Insider

Des Skippers makabres Faible: Wracks in der Ägäis Update! S. ganz Unten!
14.7.2015



Wreck Bay Zakynthos. Foto: Felix Kessler

Ich gestehe: Schon als Kind waren Wracks in Kinofilmen das Größte für mich. Als Teenager wurden wir dann Zeugen der Strandung einer Segelyacht in der Bretagne. Zwei Tage lag das Boot am steinigen Ufer, ein trauriger wie spannender Anblick, dann hatten es die Wellen so gut wie zerschlagen. Wo kam es her, wie war das alles passiert, was ist aus der Crew geworden? Fragen die jedes Wrack für mich zu einer spannenden Geschichte machen. In der Ägäis gibt es reichlich Stoff für Segler mit so einem Faible für die rostigen Zeugen der dramatischen Seite der Seefahrt. Hier einige Beispiele, die ich über die Jahre gesammelt habe.

Das wohl berühmteste und meist Fotografierte Wrack Griechenlands ist ohne Frage das von Wreck Bay an Zakynthos Westküste. Wie auf einem Präsentierteller liegt dort das Wrack der „Panagiotis“, die dort 1980 strandete. Ein strahlend weisser Strand, umgeben von in einem geradezu unwirklichen blau leuchtenden Wasser, das oft durch Kalkauswaschungen im Fels auch noch eigenartig milchig wird. Hoch und trocken liegt das mittlerweile stark verwitterte Wrack, dessen Geschichte eine der schönsten Räuberpistolen an der Küste ist: Angeblich wurden mit dem Schiff Zigaretten von der Türkei nach Zakynthos geschmuggelt. Bei schwerem Wetter wollte dann wohl die Coastguard, die von der illegalen Fahrt Wind bekommen hatte, dass Schiff aufbringen und festsetzen. Doch die Crew, teils Seeleute von der Insel, sollen gewarnt worden sein, fuhren in Landnähe und verließen einfach das Schiff um unterzutauchen.

Andere Versionen sagen, die Maschine habe gestreikt. Wie auch immer, der Sturm ließ das Boot stranden und die Wellen drapierten das Wrack derart perfekt auf den weißen Strand, dass viele Griechen noch heute frotzeln, der Staat hätte den Seeleuten dafür einen Orden verleihen müssen, statt sie zu verfolgen.
Stattdessen flüchteten diese über die Insel, ein Teil wurde geschnappt, der Kapitän konnte sich angeblich ins Ausland absetzen.
Zurück blieb das Wrack, das zehntausende von Touristen jedes Jahr besuchen. Wer mit der eigenen Yacht hinwill, muss sehr früh am Morgen kommen. Dann ist der Seegang in der Bucht noch nicht zu hoch, und vor 9 bis 10 Uhr sind nicht zu viele Touristen-Boote dort. Nachmittags kommt meist die Thermik, und mit ihr der Schwell. Dann wird das Ankern und Anlanden gefährlich. Ansonsten einen total flauen Tag abwarten und so spät kommen, dass sich der Schwell der Thermik gelegt hat. Der Ankergrund ist aber schlecht, weil steinig. Trotzdem, wer einmal dort war, vergisst die tolle Bucht nie. Ein Dank an meinen Freund Felix, der sich die Mühe machte, den Ausflug oben zur Klippe zu machen und der das schöne Foto gemacht hat. Vom Ankerplatz ist der Aufstieg nicht möglich.



Die "Olympia" vor Amorgos:
Ein ebenfalls sehr fotogenes Wrack ist das der „Olympia“ an der Westküste der Kykladen-Insel Amorgos. Es liegt in der zweiten Bucht von Westen und war unter anderem Filmkulisse für Luc Bessons Apnoe-Taucher-Epos „Im Rausch der Tiefe“. 1979 strandete es unter nicht ganz eindeutigen Umständen – wen man auch fragt vor Ort, es gibt unterschiedliche Antworten.


Das Wrack der "Olympia"

Dinghi-Tour um die "Olympia"

Mal war es ein Maschinenschaden, der das Boot in dem windigen Kanal der Insel zum Ankern zwang (und der slippte...), mal waren es Piraten, die das Schiff absichtlich auf den Strand fuhren. Wie auch immer, Versuche es noch abzuschleppen scheiterten und nun liegt es erstaunlich gut erhalten in der Bucht. Die liegt aber bei der Hauptwindrichtung auf Legerwall und ist an Land stark mit Treibgut verdreckt, wer davor ankern will, muss gut aufpassen oder von der besseren westlichen Bucht herüber spazieren. Nur etwas für ruhiges Wetter also. Der Rumpf ist aufgerissen, die rostigen Metallteile ragen heraus. An Deck kann man noch gut das Steuerhaus, das alte Rettungsboot und vieles mehr erkennen.


Die "Nordland" vor Kythira
Bei der Rundung des Peloponnes letztes Jahr passierten wir ein recht "junges" Wrack, das obendrein auch noch aus Deutschland stammt. Direkt vor der Ostküste Kytheras liegt bei Diakofti das Wrack des in Leer gebauten Frachters „MS Nordland“. Es strandete mit dem Bug zuerst auf dem winzigen Inselchen gegenüber und machte rasch Wasser. Über einen Inspektionskanal im Schiff, der nicht ordnungsgemäß geschlossen war, lief so der Maschinenraum voll, die Technik versagte, das Schiff sackte schnell übers Heck ab. Die technischen Details über den Untergang verdanken wir einer deutschen Seeamts-Untersuchung, die sich auf den Unglücksfall bezieht.




Heute steht hoch und trocken der riesige Bug an Land und ist die wohl beeindruckendste Landmarke, die jeden Navigator ermahnt, ordentlich die Seekarten zu studieren. Das Schiff hatte übrigens angeblich Perlite von Milos geladen, ein Vulkanstein-Granulat, das noch heute zur Isolierung von Häusern benutzt wird. Niemand kam zu Schaden, doch die nahen Strände, die im Sommer eine Handvoll Touristen besuchen, wurden mit Öl verschmutzt. Heute ist davon nichts mehr zu sehen. Warum das Schiff vom richtigen Kurs abkam, wusste vor Ort niemand zu erzählen, falls jemand mehr weiß, freue ich mich über einen Hinweis. Das Wrack wird regelmäßig von den Tauchern des Kythera Diving Centers besucht, sie haben einen Video von einem Tauchgang online gestellt:


Die "Dimitrios" vor Gythion am Peloponnes
Ein Wrack, das schlicht unnötig auf dem Strand liegt, ist das der „Dimitrios“ bei Gythion an der Ostseite des Peloponnes. Im Dezember 1980 lief der in den 50ern gebaute Frachter in den Hafen des Ortes ein. Der Kapitän war schwer erkrankt und musste an Land versorgt werden. Das 67 Meter Schiff war in keinem guten Zustand, die Crew hatte obendrein nicht genug Geld, um das Liegegeld zu bezahlen. Bald gingen hinter vorgehaltener Hand Gerüchte, der alte Seelenverkäufer sei ein Schmugglerschiff. Dann verhinderten Maschinenprobleme ein baldiges Auslaufen. So kam es, dass die Port Police das Boot im Laufe des Jahres 1981 beschlagnahmte.



Ob wegen des Schmuggel-Vorwurfs oder unbezahlter Rechnungen ist unklar. Dann begann das rotte Schiff irgendwann Wasser zu machen, und so entschloss man sich, den Frachter aus dem Hafen zu schleppen und in der recht flachen weitläufigen Bucht vor Anker zu legen. Damals eine wohl logische Reaktion, drohte das Schiff doch zu sinken, und das Hafenbecken zu blockieren, heute schüttelt man den Kopf ob solcher Unbedarftheit.
Es kommt wie es kommen musste. Bei einem schweren Südsturm riss die Kette, die „Dimitrios“ strandete etwa 5 Kilometer östlich vom Ort entfernt und rottet noch heute dort recht fotogen vor sich hin.

Wer Gythion anlaufen will, muss sich auf einen überfüllten, etwas maroden Hafen mit wenig Platz einstellen, Liegeplätze gibt es nur eine Handvoll an der Pier, am besten Längsseits, der Grund ist sehr unrein. Der Ort ist erstaunlich touristisch, da Landtouristen hierher kommen, und nicht Besonderes.


Das unbekannte Wrack vor Peristera
Das letzte Beispiel meiner kleinen Sammlung mit Foto-Belegen liegt in den Sporaden, am Ufer der Insel Peristera bei Alonnisos. Dort sind zwei kleine Werften beheimatet, unweit davon lag offenbar ein Schiff direkt in Ufernähe, als es irgendwann schlicht voll lief, größere Schäden sind nicht zu erkennen, Es schaut noch weit aus dem Wasser heraus und man kann gut drum herum schnorcheln.



Woher es kam, welche Geschichte es hat, konnten uns vor Ort niemand sagen. Tipp: Gegenüber im sehr gemütlichen Dorf Steni Vala übernachten, dort ist es wunderschön, die Tavernen haben exzellentes Essen, die Leute sind sehr freundlich. Davor oder danach einfach zu einem Abstecher und Badestopp zum Wrack fahren.

Die "Sea Diamond" vor Santorin
Das letzte Wrack meiner kleinen Sammlung ist ein tragischer Fall und der aktuellste und noch immer akute der griechischen Ägäis: Das Kreuzfahrtschiff "Sea Diamond" sank am 5. April 2007 im uralten Krater-Kessel von Santorin. Das Schiff hatte beim Manövrieren das Riff bei der kleinen Insel Nea Kameni berührt und die Außenhaut aufgerissen.

In kurzer Zeit liefen Maschinenraum und die untere Abteilung voll und das Schiff machte schnell 10-15 Grad Lage. Dann wurden die Schotten geschlosen und der Stahlriese stabilisierte sich. Bei der Rettung der rund 1500 Passagiere ertrank ein Franzose und seine Tochter, die Leichen wurden aber nie gefunden.

Dann fiel die folgenschwere Entscheidung, das angeschlagene Schiff vom Riff zu schleppen. Bei dem Versuch begann es nach kurzer Schleppstrecke instabil zu werden, lief weiter voll und kenterte dann direkt im Krater unterhalb vom Hauptort von Santorin. Schließlich sank es am 6. April. Das riesige Schiff liegt nun auf einem Abhang, der Bug in rund 150 Meter Tiefe, das Heck in nur etwa 40 Meter. Kritiker sagen, es wäre besser gewesen, dass Schiff auf dem Flach um Nea Kameni in etwa 20 Meter Tiefe "abzustellen", so wäre es später leicht zu bergen gewesen.

Doch genau das unterblieb. Seit 2008 streiten die griechische Reederei und ihre Versicherung, wer eine Bergung bezahlen muss. Angeblich habe die griechische Seekarte das Riff nicht richtig verzeichnet, insofern sagt die Reederei, der griechische Staat sei Schuld und er müsse die Kosten tragen. Die Versicherung der Reederei hat mittlerweile 55 Millionen Euro gezahlt, die Griechen aber taten nichts. Nur als sich im Schiff weiter oben Öl sammelte, wurden einmal 9000 Liter Treibstoff abgepumpt. Nun liegt das Kreuzfahrtschiff mit all seinem Treibstoff und dem diversen Sondermüll in Form von Fernsehern, Kühlschränken, Computern und vielem mehr am Grund - und verschmutzt die Bucht. Pro Tag treten rund 20 Liter Treibstoff aus und gelangen ins Meer.


Aus diesem Grund formierte sich eine Bürgerbewegung, die seit 2009 immer wieder gegen den Skandal protestiert und verlangt, dass die "Sea Diamond" gehoben wird. Bis heute erfolglos, mittlerweile behauptet der griechische Staat, "von dem Wrack gehe keine Gefährdung aus".

Der Kapitän des Unglücks-Schiffes wurde 2013 in erster Instanz zu 12 Jahren Haft verurteilt, einige weitere Crewmitglieder zu 8 Jahren. Alle legten sofort Berufung ein, die noch immer nicht verhandelt wurde. Der Kapitän nannte als Ursache für das Unglück "starke Strömung".


Zu dem Unglück gibt es zwei gute Reportagen: Eine vom WDR über Umweltsünden in Griechenland (Teil 3 gegen Ende) und eine von der BBC über die Proteste der Bürger.


Ein Wrack Udate von Skipper Jörg Graff

"Es sind nicht nur Frachter, die gelegentlich dekorativ stranden, auch Segelboote können das. Anbei einige Fotos des Wracks von einem (angeblich russischen) Stahlboot, das vor der äußersten Westküste von Lesbos bei Sigri hoch und trocken auf einem Felsenriff liegt. Meine Fotos stammen vom Mai 2014. Über Google Earth fand ich noch ein Panoramio-Foto eines Griechen namens Stratos Blanis, der das Wrack im September 2007 fotografiert hat, offenbar im Jahr der Strandung."






Und noch ein Wrack, diesmal in der Türkei - von Nane und Drk von www.die-letzte-crew.de

Sie schickten ein Foto des Frachters, der vor Knidos strandete. Allerdings ist dieser heute nicht mehr zu sehen. Das Schiff wurde aber - soweit ich richtig informiert bin - nicht geborgen, sondern ist laut Skipper Jörg Graff mittlerweile abgerutscht und liegt nun tiefer. Der "Insider" hatte hier ausführlich darüber berichtet (Klick).

Frage: Hat jemand beim Schnorcheln das Wrack wieder gesehen? Oder ist es mittlerweile geborgen worden? Von Bergungsarbeiten war nichts zu hören. Für Hinweise sind wir dankbar!

Zu guter Letzt noch eine Bitte: Sie haben schöne Fotos von einem Wrack, kennen eins, dass ich noch nicht kenne? Ich freue mich sehr über News, Tipps und Bilder! :-)



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