Der Insider


Die Zeit der Schwammtaucher ist vorbei
24.7.2007

Das Schwammtauchen hat an den Küsten der Ägäis eine alte Tradition. Die Verwendung von Schwämmen wurde schon von Aristoteles beschrieben und von Homer in der Illias und in der Odyssee erwähnt. In Ephesus wurden kleine Schwämme in den öffentlichen Toiletten in Wasser gedränkt an langen Stangen zur Säuberung angeboten. Kurtisanen im Altertum benutzten Schwämme zur Verhütung.

Gute Kunden der Schwammtaucher waren auch die Kreuzritter auf ihrem strapazenreichen Weg durch die raue Landschaft Anatoliens: sie unterpolsterten ihre Rüstungen mit Schwämmen, um sich vorm Aufscheuern der Haut auf ihren klapprigen Pferden zu schützen. Über Jahrhunderte konzentrierte sich die Schwammtaucherei auf die Inselgruppe des Dodekanes, und dort vor allem auf die Inseln Symi und Kalymnos und am türkischen Festland auf Bodrum, das antike Halikarnassos.


In Bodrum hat ein Künstler den Schwammtauchern ein Denkmal aufgestellt. In Symi erinnert ein Taucheranzug am Hafen an die hohe Zeit der Schwammtaucher.Unten: typische ehemalige Schwammtaucherboote.


Anfang des letzten Jahrhunderts versiegten die Schwammgründe der Ägäis und die Taucher mussten bis an die Küsten Nordafrikas fahren. Sie waren oft einen ganzen Sommer unterwegs und kamen erst im Herbst mit ihren "Ernten" zurück. Mehmet Yavas aus Bodrum erzählt, dass er in jungen Jahren mit zwei anderen Tauchern im Ruderboot bis zum Marmarameer hinaufgerudert ist, um Schwämme zu suchen. Sie ruderten frühmorgens - bevor der Wind aufkam - los, zogen gegen Mittag das Boot ans Ufer, tauchten den ganzen Nachmittag nach Schwämmen, machten zum Sonnenuntergang ein Feuer am Strand, brieten den nebenbei gefangenen Fisch, und legten sich dann am Feuer nieder, um bis zum nächsten frühen Morgen zu schlafen und dann weiter zu ziehen.

Wie Lange und wie Tief konnte man so Tauchen? Nach Berichten der französischen Marine aus dem 19. Jahrhundert tauchten Schwammtaucher in Griechenland auf bis zu 70m Tiefe. Auch wurden die ersten Versuche mit luftgefüllten Schweineblasen, Schläuchen und Röhren unternommen, die aber keinen Erfolg hatten (das Boyle-Mariott'sche Gesetz war noch nicht bekannt).

Wie gefährlich die Schwammtaucherei war, belegen die vielen humpelnden, auf Krücken daher wankenden oder im Rollstuhl sitzenden Männer, die Anfang der 80er Jahr noch auf den Inseln der Ägäis, in Bodrum und an anderen Orten der Küste zu sehen waren. Heute gibt es in Griechenland und in der Türkei jeweils gerade mal drei Dekompressionskammern, in Deutschland dagegen 38. Mehr Infos zum Dekompressionsunfall beim Tauchen: http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=20475

Anfang des neuen Jahrhunderts ist die Schwammtaucherei eine Nebenerwerbsquelle im reichhaltigen Tourismusangebot. Es gibt noch Schwammtaucher, aber das Gewerbe hat seine großen Zeiten längst hinter sich. Kalymnos hat noch eine kleine Schwammtaucherflotte; angeblich werden pro Jahr noch einige Tonnen Naturschwämme aus dem Meer getaucht. In Bodrum gibt es keine Schwammtaucher mehr, die Männer haben sich lukrativeren Geschäften zugewandt.

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