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Was alte Postkarten erzählen


Es gab noch keine Minibusse, stattdessen zottelige Kamel mit wankenden Höckern, die Auberginen, Zuccini und Tomaten auf den Wochenmarkt nach Marmaris brachten. Und es gab noch keine Asphaltstraßen, sondern löchrige Holperschotterwege, auf denen ein beladener Esel drei Tage von Milas nach Bodrum brauchte - der Eselmann ging zu Fuß durch Staub und Hitze nebenher. Vermutlich gabe es vor 80 Jahren nicht einen Arzt in den Hafenorten an der Küste. Allenfalls kannten sich Kräuterweiber und Handaufleger mit medizinischer Versorgung aus.

Die Kindersterblichkeit war hoch, Hebammen und Krankenhäuser so gut wie unbekannt. Als Çevat Sakir wegen eines Zeitungsartikels, in dem er sich kritisch über die Hinrichtung von Armee-Deserteuren geäußert hatte, vom Istanbuler Militätribunal ins Exil nach Bodrum verbannt wurde, war das heutige mit St. Tropez verglichenen Fischernest ein vergessenes Kaff, das in der Antike Halikarnassos hieß und eines der sieben Weltwunder beherbergte.

Der Exilant begeisterte sich für die Landschaft und ihre Schönheit, lernte die Ursprünglichkeit des Dorflebens schätzen, und freundete sich mit den Fischern und Schwammtauchern an. Nach Beendigung seiner Strafe ging er nicht nach Istanbul zurück, sondern blieb in Bodrum. Unter dem Pseudonym Halikarnas Balikçisi (Fischer von Halikarnassos) schrieb er Bücher über die Kultur Anatoliens und das Leben an der Küste.


Die alten Postkarten erzählen uns Geschichten aus vergangener Zeit. Damals brauchte man noch keinen Travellift und keine WLAN-Station in der Marina, die es noch überhaupt nicht gab. Ab 1957 fuhr Çevat Sakir mit Freunden aus der Intellektuellen-Szene Istanbuls durch den Gökovagolf und nannte die Fahrten "Blaue Reisen" (mavi yolculuk). So wurde er Erfinder eines Wirtschaftszweiges, ohne den der Aufschwung von Bodrum heute nicht vorstellbar wäre.

Sie genossen das einfache Leben auf den knarzigen Booten der Schwammtaucher und Fischer, die heute Gulets heißen und hochluxuriös ausgestattet sind. Sie entdeckten nicht nur idyllische Buchten und Dörfer, sondern auch antike Stätten wie Knidos, Karacasögüt und die Insel der Kleopatra im hinteren Kermen Körfezi. Cevat Sakir setzte sich engagiert aber vergeblich dafür ein, die ins British Museum verschleppten Teile des Mausoleums von Halikarnassos wieder an ihren ursprünglichen Ort zurückzuholen.