CockpitTalk
Elkes Wintergeschichte 2 - Blaue See und weißer Schnee
von Elke Le Grand Bleu

Den einzigen schönen Tag, der sich zwischen Gewitter und Regen quetscht, nutzen wir, um von Marmaris nach Fethiye zu segeln. Die Sonne strahlt, der wenige Wind lässt uns keine Wahl: Vollzeug ist angesagt, um überhaupt voran zu kommen. Gross hoch, Genua raus, so dümpeln wir gen Südost und fragen uns die ganze Zeit, ob wir nicht doch den Spinnaker auspacken sollten. 40 Seemeilen liegen vor uns, trotz frühem Start drängt die Zeit, damit wir noch im Hellen in eine Bucht einlaufen können. Doch schon bald nimmt uns Rasmus die Entscheidung ab. Faul, wie er ist, legt er sich ganz schlafen. Der Jockel muss ran, die See ist glatt wie ein Spiegel.

Ohne Wind wird es so warm, dass wir Anfang Dezember im T-Shirt im Cockpit sitzen. Doch dann trauen wir unseren Augen nicht, als wir voraus Schneeberge zu erkennen glauben. Oder sind das nur die Wolken? Immer näher kommen wir, dann können wir tatsächlich das Weiß auf den Bergen als Schnee erkennen. Brrrr, schnell noch einen Fleecepulli überziehen...

 Schnee auf den Bergen bei Fethiye

Nach den vielen Marina-Tagen wollen wir wenigstens eine Nacht in einer kleinen Bucht verbringen, so lange, bis uns der Regen wieder einholt. Für unser Augen ganz schön eng ist die Passage zwischen der Kapidagi Yarimada Halbinsel und der kleinen Insel Domuz Ada, aber das tiefe Wasser reicht bis dicht unter die Ufer. Danach geht's gleich links ab in den Kapi Creek. Dort liegen sogar ein paar Langfahrer, welch seltener Anblick zu dieser Jahreszeit.

Als wir auf den Holzsteg des Restaurants zufahren, kommen uns ein Mann und ein kleines Mädchen entgegen, um beim Anlegen zu helfen. Das Restaurant sei geschlossen, aber wir seien herzlich willkommen, begrüßen sie uns. Dankbar nehmen wir die Mooring auf, belegen die Heckleinen und genießen die Ruhe in der rundum geschützten Bucht. Nette Gespräche gibt's bald darauf: die Familie, der das Restaurant gehört, führt Winterarbeiten aus - und sieht abends fern, heute ist Fussball angesagt! Einer der Langzeitsegler erzählt uns seine Erlebnisse aus der Umgbung.

Die Nacht ist gar nicht so kalt, aber sehr feucht, das Schiff wird zur Tropfsteinhöhle. Am nächsten Morgen ziehen dicke Wolken über den Himmel, sie versprechen Regen und halten ihr Wort. So legen wir ab und segeln quer über den Golf zur Fethiye Marina. Klar, dass wir schon wieder nass sind, bevor wir festliegen... das ist das Schicksal der Wintersegler, obwohl wir bisher noch nie einen so regnerischen November und Dezember in der Türkei erlebt haben. Ein Pilotboot begleitet uns zum Liegeplatz, die Marineros geben die Mooring an und belegen die Heckleinen. Kaum sind wir fest, strahlt die Sonne, und die Schneekappen der Berge grüßen über den Steg.
 C-Ponton der Fethiye Marina


Lange dauert das Sonnenglück leider nicht, die nächten Tage sind so verregnet, dass wir es uns unter Deck gemütlich machen. Die folgende Schönwetterperiode nutzen wir, um die Stadt zu erkunden. Alt ist sie nicht, das Erdbeben von 1958 hat wohl den meisten der hübschen Häuser den Garaus gemacht. Der Fisch- und der Gemüsemarkt sind weniger ein Nasen-, dafür umso mehr ein Augen- und Ohrenschmaus. Fangfrische Fische und große, dicke karides (Scampi), leuchtende Mandarinen, und viel anderes Obst und Gemüse gibt es dort. Klar, dass wir unser Abendessen gleich mitnehmen. Die Post, ein grosser Supermarkt, viele Banken und kleine Geschäfte sind in nächster Nähe der Marina. Die 5-Sterne-Bordküche serviert Spaghetti Mare mit den frischen karides und ebenso frischen Muscheln.

Manche Segler sollen mitunter sogar ein bisschen Interesse an Kultur zeigen - wenn's nicht allzu anstrengend wird gilt das auch für uns. So wandern wir durch die Gassen des ältesten Viertels der Stadt (die leider nicht sehr ansprechend wirken) hangaufwärts zu den berühmten Felsengräbern. Unterwegs gucken wir noch ins Amphitheater hinein - wir haben schon besser erhaltene gesehen. Aber wenn man die Augen weit genug aufmacht, findet man immer etwas Schönes, und sei es nur ein winziges Detail!

Bei den lykischen Felsengräbern oben müssen wir feststellen, dass die tiefstehende Sonne alles in dunklen Schatten versinken lässt. Beeindruckend sind die steinernen Fassaden, die Säulen, die Anordnung der Gräber, die "Stadt der Toten" in der senkrechten Wand. Allein das Licht fehlt, ohne Sonnenstrahlen macht der Ort einen düsteren Eindruck. Wenn jetzt Schnee auf den Friesen und Sarkophagen liegen würde, das wären Bilder zum Festhalten! Alle fünf Jahre soll es einmal unten am Meer schneien und die Bucht, den Hafen und die ganze Stadt unter einer weißen Schneedecke verzaubern. Auf dem Rückweg entdecken wir ein Kuriosum: inmitten der Straße steht ein lykischer Steinsarkophag, davor ein modernes Verkehrszeichen – alt und neu, sehr hübsch und fotogen beieinander.

Fethiye hat viele Gesichter, auch grosse Gegensätze: die blaue See zu Füssen der weißen schneebedeckten Berggipfel, die Zeugen des Altertums mitten in der modernen Stadt, der bäuerliche Wochenmarkt gleich neben der modernen Fussballarena und dem Supermarkt, die Fischerboote und Gulets aus Holz unmittelbar neben der Marina mit ihren "Plastikschüsseln". Nur an Touristen fehlt's im Revier... so kurz vor Weihnachten ist es hier ungewöhnlich friedlich. Wir drücken alle Daumen, dass uns zum Jahreswechsel noch ein paar schöne Sonnentage beschert werden und nicht der Schnee von den Bergen herunter kommt. Wir sind neugierig auf die im Winter sicher sehr einsamen Buchten im Fethiye Körfezi. Mal sehen, wo es uns über die Weihnachtstage und zu Silvester hin wehen wird.